Motivationssprüche modernes Phänomen oder alter Hut?
Aktuell sieht man sie überall, auf schönen Bildern und mit besonders schöner Schrift gestaltet, oder auch mit sanfter Melodie in einem TikTok Video: die Motivationssprüche. Doch handelt es sich hier um ein modernes Phänomen oder einen alten Hut?
In der Vergangenheit schickte man sich Postkarten, um Glückwünsche auszurichten, dann waren es sogenannte E-Cards und heute sind es eben die Bilder in den sozialen Medien, unter denen man sich verlinken kann, oder die man sich gegenseitig über Messenger-Dienste zu schickt und teilt.
Doch bleiben wir bei den Postkarten. Im Grunde ähneln sie den heute verwendeten Bildern sehr, doch wurden die Sprüche auf solchen Karten noch von den klugen Köpfen der Vergangenheit erdacht. Es handelte sich oft um Zitate. Immer wieder gerne genutzt und zitiert wurden Oscar Wilde (Das Gespenst von Canterville, Das Bildniss des Doarian Gray), Mark Twain (Tom Sawyer) oder auch Antoine-de-Saint-Exupéry (Der kleine Prinz). Sehr beliebt waren hier die Zitate aus literarischen Werken. Diese wurden dann mit einer persönlichen Note des Absenders ergänzt und dann an die zu beglückwünschende Person übergeben.
So hat sich im Laufe der Zeit aber nicht nur die Art des Glückwunsches, sondern auch die Form des Mediums verändert. Hatte man früher noch etwas zum Anfassen, so ist heute der überreichte Glückwunsch größtenteils virtuell (Ausnahmen bestätigen die Regel, es gibt natürlich nach wie vor noch Menschen, die Postkarten oder Briefe versenden). Ein weiteres Merkmal in der Geschichte der Glückwünsche ist, dass es sich früher dabei um eine persönliche Anteilnahme handelte. Ein Brief oder eine Postkarte wurden direkt an eine andere Person adressiert. Man wollte einer bestimmten Person zu einem bestimmten persönlichen Anlass seine Glückwünsche und/oder motivierende, lobende Worte ausrichten. Mit dem Veröffentlichen eines solchen motivierenden Spruches in sozialen Medien, spricht man nicht mehr nur eine Person an, sondern zahlreiche. Wer diese Nachricht empfängt, ist dem Verfasser oftmals gar nicht mehr klar. Sie richten sich an eine breite Masse, die im Rahmen der sozialen Medien anonym bleiben kann, oder auch durch eine Reaktion auf diesen Beitrag ein Gesicht bekommen kann.
Glückwünsche sendet man sich in Deutschland zu vielfältigen Anlässen. Der Geburtstag, eine Eheschließung, auch zu Feiertagen. In anderen Ländern, oder besser in anderen Kulturkreisen gilt dies auch, aber hier werden auch andere Werte beglückwünscht. Im asiatischen Kulturkreis kann man durchaus auch zu einer Beerdigung motivierende Spruchkarten und Glückwünsche erhalten, da diese hier als etwas Schönes, Bedeutsames gilt. In Japan bekommen die Menschen Glückwünsche zur Genesung ins Krankenhaus, dies ist auch in Amerika üblich. Sogenannte „Get well soon“ Karten sind häufig versehen mit einer motivierenden Botschaft, um schnell wieder am Leben teilnehmen zu können. Bei diesen Botschaften handelt es sich auch wieder um persönliche Anteilnahme an einem bestimmten Ereignis. Die Glückwünsche werden durch persönliche Noten individuell an den Empfänger gerichtet und nicht an eine breite Masse.
Social Media – Zeitalter der Motivationssprüche
Nun leben wir aber in einem Zeitalter, indem die Postkarten immer mehr in den Kioskständern verstauben und die Nachrichten virtuell von Smartphone zu Smartphone ziehen. Auf gängigen Social-Media-Plattformen finden sich zahlreiche motivierende Spruchbilder, diese aber oft nicht mehr mit dem Verfasser gekennzeichnet. Jeder kann seine Weisheiten oder Glückwünsche hier nett auf einem Bild drapieren und veröffentlichen. Wer sich angesprochen fühlt, kann dies Liken, kommentieren, oder mit Freunden teilen. Dies klingt erstmal leicht, der Clou aber ist aber etwas zu verfassen, bei dem sich möglichst viele Menschen angesprochen fühlen, etwas Allgemeines. Beliebt sind heute die Themen: Entspannung, Gesundheit, innere Ruhe, Seelenfrieden, Seelen-Partner und Beziehungen im Allgemeinen.
Spricht man diese an, kann man schnell mit vielen „Likes“ rechnen. Oft bekommt man einen solchen Spruch per Messenger Dienst zugeschickt und nickt schon beim Lesen. Denn Fakt ist: wahr, sind sie und nachvollziehbar! Wir können uns darin wiederfinden, wir können auch die eigenen Wünsche an uns selbst in solchen Sprüchen und Zitaten finden. Wenn uns jemand einen solchen Spruch zusendet, dann denkt er freundschaftlich und wohlwollend an uns und möchte uns das mit einem solchen Bild sagen.
Ein weiteres Medium des Glückwunsches ist heute auch die Möglichkeit, ein Video zu drehen. Kurzvideos oder sogenannte „Reels“ sind heute im Trend. Diese können die Botschaft in Form eines schriftlichen Textes oder auch des gesprochenen Wortes überbringen. Durch die Möglichkeit, sich selbst zu filmen, während man Glückwünsche oder motivierende Worte weitergeben will, bringt neue Möglichkeiten, die Nachricht in Intensität und Emotionalität zu verstärken. Auch kann man hier mit weiteren Stilmitteln wie Musik und Ton arbeiten. Die Möglichkeiten sind zahlreich und lassen der Kreativität keine Grenzen.
Hier schließt sich der Kreis dann auch in Hinsicht auf persönliche Empfänger oder breite Masse. Der Glückwunsch, die motivierende Nachricht kann für die breite Masse verfasst worden sein, wird aber in dem Moment, in dem ein Empfänger sie konsumiert und an eine andere Person schickt, zu einem persönlichen Glückwunsch werden: „als ich das gesehen habe, musste ich an dich denken“, „hier, guck mal, das wünsche ich dir von Herzen“.
Braucht die heutige Generation mehr Motivation?
Verallgemeinern sollte man dies vermutlich nicht. Wir leben in einer Welt, in der die Menschen viel Zugriff auf die negativen Seiten des Lebens hat. Durch permanente Einsicht in die Medien werden junge Menschen oft mit Krankheit, Krieg und negativen Schlagzeilen konfrontiert. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist in den Köpfen vieler Jugendlicher fest verankert. Motivation in Form von Glückwünschen und netten Worten ist hier also nicht falsch. Die sozialen Medien mit Mut machenden Worten zu füllen, ist eine Form, um der ewigen Negativität entgegenzuwirken. Man hat Zugriff auf viele positive Botschaften, kann dies teilen, seine Gedanken dazu äußern oder selbst aktiv werden und seine Glückwünsche in die Welt hinaussenden.
Sind Motivationssprüche effektiv?
Da die Motivation, die ein Mensch benötigt, von Person zu Person individuell ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass man in den sozialen Medien etwas findet, dass auf einen selbst zutrifft. Man hat die Möglichkeit, gezielt nach Motivation zu suchen, oder auch spontan darüber zu stolpern. Die Effektivität hängt hier aber ebenso von der Person ab. Ist diese empfänglich für die Wirkung von Worten? Wirken nur Glückwünsche von Menschen, die ihr nahe stehen, oder kann sie auch Glückwünsche akzeptieren, die eine fremde/anonyme Person ohne gezielten Empfänger verfasst hat?
In jedem Fall kann die Positivität dieser Glückwünsche nur von Vorteil sein. Schließlich teilt hier jemand mit gutem Willen nette Worte und hofft eine positive Reaktion zu erzielen. Sei dies nur ein Lächeln, oder ein gutes Gefühl, so hat es seinen Zweck schon erfüllt und die Welt etwas schöner gemacht.